Matthias Haim will Profi werden

Der 19-jährige Matthias Haim vom TCP will als Tennisspieler Karriere machen

Vor Beginn der diesjährigen Saison hat der TC Pfaffenhofen mit Unterstützung von einigen Sponsoren zwei talentierte Österreicher, Matthias Haim und Adrian Gruber, unter Vertrag genommen. Sie sollten der Erste Mannschaft helfen, im nächsten Jahr wieder in der Landesliga zu spielen. Vor kurzem fasste Haim den Entschluss, eine Profikarriere als Tennisspieler zu starten.

Er ist fast zwei Meter groß und hat das Tennisspielen beim TC Kolsass (Innsbruck) gelernt. Jetzt wohnt der 19-Jährige in Schwaz. Dort hat sein Trainer Christian Walter eine Tennisschule, bei der er auch mit dem bekannten österreichischen Tennisspieler Andreas Haider-Maurer öfter trainiert. Nach langer Verletzungspause versucht Haider-Maurer jetzt ein Comeback bei der Qualifikation in Wimbledon. Zuletzt gewann Haim mit seinem Partner Patrick Ofner (Klagenfurt) Ende Juni bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften den Titel im Doppel. Im Einzel ist er im Viertelfinale ausgeschieden.
Haim serviert Aufschläge, die 200 km/h erreichen und schlägt Vorhand-Winner, die seine Gegner „zum Anschnallen zwingen", wie man in Österreich sagt. Belohnt wurden seine Auftritte bislang mit jeder Menge Titel auf Landes- und Bundesebene. Dazu kamen noch Ausbildungen in hochgelobten Tennis-Camps in Dornbirn und München.

Eigentlich ideale Voraussetzungen für eine Profi-Laufbahn. Aber die ersten Starts auf den internationalen Future-Turnieren waren für den Tiroler Haim nicht besonders erfolgreich. Zuletzt kam er bei zwei Turnieren in Kroatien über die Qualifikation nicht hinaus. Den besten Platz im ITF-Ranking hatte er im April 2016 auf Position 1212 erreicht. Durch die Anwesenheitspflicht in der Schule hat er sich zuletzt durch weniger gespielte Turniere auf die Position im Einzel auf 1648 verschlechtert und im Doppel auf 1071 geringfügig verbessert. In der ÖTV-Rangliste wird Haim derzeit auf Position 18 geführt.
Um sich ganz der Profikarriere widmen zu können, hat er beschlossen, die Schule abzubrechen. Die noch fehlende Klasse zur Matura, in Deutschland das Abitur, will er in Innsbruck in einer Kombination aus Abend- und Fernschule nachholen.

Matthias Haim 2017

Viele Kenner der Szene haben ihm zur Profikarriere geraten: Die körperlichen und die technischen Voraussetzungen sowie die bisherigen Ausbildungen sprechen eindeutig für ihn. Was ihn in einer Profi-Laufbahn erwartet, weiß Haim: „Es wird sehr hart mit all den Pflichten, es geht nur mit eiserner Disziplin und man muss auch nach oftmals erlebten Enttäuschungen wieder voll motiviert und konzentriert die nächsten Herausforderungen annehmen." Mit seinem Trainer, der selbst noch keinen Profispieler betreute, aber schon einige Jahre auf der ATP-Tour als Bespanner dabei war, wird er etwa 20 Stunden in der Woche und oft auch mit Haider-Maurer trainieren. Zusätzlich hat er bis zu sechs Stunden wöchentlich einen eigenen Trainer für die Fitness engagiert. „Damit man nach Möglichkeit von Verletzungen verschont bleibt, muss eine Menge für den Körper getan werden. Ausdauer, Beweglichkeitsübungen, Massagen, richtige Regeneration und mentales Training sind zum Beispiel ganz wichtige Aspekte," erklärt Haim. So hat er kürzlich bei den Bayerischen Meisterschaften in München im Viertelfinale gegen den späteren Sieger im zweiten Satz aufgeben müssen, weil sich plötzlich der Rücken verspannte. „Auf der Hinfahrt zum Match stand ich im Stau und kam erst auf den Platz, als alle schon auf den Beginn der Partie warteten. Ohne mich warm machen zu können, kam es dann zu dem Problem im Rücken," berichtet Haim.

Weil man am Anfang von den Preisgeldern nicht leben kann, wird Haim von den Großeltern und einigen Firmen unterstützt. Die ITF Future-Serie ist die beste Möglichkeit, um im eigenen Land den Einstieg auf die ATP-Tour vorzubereiten. So will er ab 3. Juli an fünf 15.000 USD Futures-Turnieren, das ist die niedrigste Kategorie, in Österreich teilnehmen. Sie finden in Telfs, Kramsach, Wels, St.Pölten und Vogau statt. Anschließend will er noch bei zwei weiteren Future-Turnieren in Deutschland (Karlsruhe und Überlingen) antreten. Im Einzel kann man bei einem Sieg 18 ATP-Punkte und für einen Sieg etwa 1.300 EUR und bei Gewinn einer Runde etwa 110 EUR bekommen. "Aber viel kann man sich dafür nicht kaufen", sagt Haim, "denn für Fahrtkosten, Unterkunft, Verpflegung und Bespannung muss man selbst sorgen". Insgesamt ergiebiger sind aber dann die Challenger Turniere.

Am Ende dieser Turnierserie will er mit seinem Trainer eine Zwischenbilanz ziehen und vielleicht dann noch an Turnieren, zum Beispiel in der Türkei, teilnehmen. „Ein tolles Erlebnis  wäre natürlich eine Wildcard für das ATP-Turnier in Kitzbühel, aber das entscheidet der Verband, aber dazu müssten schon einige überragende Ergebnisse bei den Future-Turnieren erzielt worden sein." Für ihn ist aber jetzt schon klar, dass wenn er in drei oder vier Jahren immer noch nicht entscheidend in der Weltrangliste nach vorne rücken konnte, „dass es dann mit der Profikarriere wohl dann doch keinen Sinn macht". Auf alle Fälle wird er mit Adrian Gruber im nächsten Jahr wieder nach Pfaffenhofen kommen. „Das hat von Anfang an mit dem Team optimal gepasst. Wir hatten viel Spaß miteinander."

Interessant ist dazu die Meinung von Caroline Schneider, die insgesamt 23 Jahre auf der WTA-Tour auf Turnieren unterwegs war: „Er scheint ganz gut beraten zu sein. Ganz wichtig ist am Anfang, dass man genügend finanziell unterstützt wird, denn man muss sehr viel investieren." Erst ab etwa einer Ranglistenposition unter den ersten 150 ist man aus dem Gröbsten heraus und „wenn man unter den Top 100 ist, dann hat man es wirklich geschafft", ergänzt sie noch. Bis dahin ist es aber  ein sehr harter und langer Weg, den nur die Wenigsten schaffen. „Du musst gesund bleiben und dafür alles für deinen Körper und Geist tun", gibt sie ihm noch mit auf den Weg. Trotzdem findet sie es grundsätzlich lobenswert, wenn es ein junger Bursche wagt, sich auf so einen Weg zu begeben. Was er absolut beachten sollte, dass er die Matura noch abschließt und nicht wie viele osteuropäische Sportler nach der Profikarriere ohne Abschluss dasteht. „Es ist nicht nur eine tolle Erfahrung, wenn man auf der ganzen Welt herumkommt, sondern man wird geprägt fürs ganze Leben. Man lernt eine eiserne Disziplin und auch mit Niederlagen umzugehen," weiß Schneider.

Peter Amsl ( 12.07.2017)